FP-Anlageausschuss-Report zum 2. Quartal 2022

„Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht!“ Diese Aussage der deutschen Außenministerin trifft sehr gut den Gemütszustand von fast allen Menschen nach dem unfassbaren Angriff von Russland in der Ukraine. Die Welt scheint sich derzeit nur in Superlativen fassen zu lassen. Ein historisches Ereignis jagt das nächste: Innerhalb von nur 24 Monaten haben wir die erste Pandemie seit einem Jahrhundert, die tiefste Rezession der jüngsten Geschichte, die höchste Inflationsrate in den USA seit über 40 Jahren und den schwersten Konflikt in Europa seit Generationen erlebt. Wie geht es nun weiter? Vor allem hoffen wir auf Frieden in Europa und auf ein Ende des sinnlosen Krieges!  

Nachdem die Kapital- und Finanzmärkte ganz zuversichtlich in das neue Jahr gestartet sind und teilweise neue Höchststände erreichten, haben die Diskussionen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die Sorgen über höhere Inflationsraten, die Stimmung bereits vor dem Ukraine-Krieg gedrückt. In den Tagen nach Kriegsbeginn sind die Märkte stark unter Druck geraten, so hat z.B. der Deutsche Aktienindex (DAX) vom Hoch über 22 % abgegeben und auch die meisten Anlageklassen haben deutliche Verluste verbucht. Die nachhaltigen Auswirkungen des Krieges lassen sich aktuell noch nicht abschließend einschätzen.

Der Ukraine-Konflikt hat zu einem starken Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise geführt. Diese Entwicklung hat weltweit anziehende Inflationsraten mit sich gebracht. Die erwarteten Inflationsraten in Europa liegen aktuell bei 6 – 8 %, nachdem am Jahresanfang die Erwartung noch bei ca. 4 % lag. Beim europäischen Wirtschaftswachstum liegt die Prognose bei ca. 2 %, gegenüber 4 % noch zu Jahresbeginn.

Diese geänderte Inflationserwartung hat dazu geführt, dass die US-Notenbank (FED) im März die Leitzinsen zum ersten Mal wie erwartet um 0,25 % angehoben hat. Aktuell ist die Erwartung an die Anzahl der Zinserhöhungen in 2022 aber von drei auf sieben gestiegen! Zudem soll ab Mai über eine Bilanzverkürzung durch den Verkauf von Anleihen nachgedacht werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt ihr Anleihekaufprogramm ebenfalls in den nächsten Monaten auslaufen und hat zur Überraschung der Marktteilnehmer angekündigt, abhängig von der Datenlage, über Zinserhöhungen nachzudenken. Dieser Strategieschwenk führte zu einem deutlichen Anstieg der Zinsen bei deutschen Staatsanleihen von -0,2 % am Jahresanfang auf aktuell ca. + 0,7 % (für 10-jährige Papiere) geführt. Ob hier die Marktteilnehmer Recht behalten, oder man nicht etwas über reagiert hat, wird sich zeigen. Sichtbar wird auf jeden Fall, dass das weltweite Wirtschaftswachstum, auch durch die neuerlichen Lockdowns in China, schwächer ausfallen wird und neue staatliche Ausgabenprogramme erwartbar sind.

Der Ukraine-Krieg hat zu starken Kursrückgängen in den meisten Anlageklassen geführt. Die Schwankungen (Volatilitäten) waren sehr hoch und der sogenannte Angst-Indikator hat einen Höhepunkt erreicht. Wir erwarten eine Marktberuhigung und raten zu Besonnenheit und zu langfristiger Zuversicht, auch wenn es aktuell selbstverständlich schwerer fällt. Die weltweit nach wie vor hohe Liquidität sucht früher oder später wieder nach Anlagemöglichkeiten im anhaltenden Inflationsumfeld.

Aktienmärkte

Die internationalen Aktienmärkte haben das Jahr gut begonnen, aber dann aufgrund der Zins- und Wachstumssorgen bereits korrigiert. Der Kriegsbeginn hat dann zu starken Kursrückgängen, wie z.B. in Deutschland von – 22 % gegenüber dem Jahreshoch, geführt. Insbesondere die europäischen Märkte haben oft zweistellig korrigiert, wohingegen die US-Amerikanischen Börsen etwas widerstandsfähiger waren. Kurzfristig sehen wir weiterhin gute Gründe zu gesunder Vorsicht. Mittelfristig sind wir jedoch, unterstützt durch anhaltend unattraktive Realrenditen, vernünftige Aktienbewertungen und einer wirtschaftlichen Erholung, zuversichtlich

Anleihemärkte

Die höheren Inflationsraten und -erwartungen haben zur ersten Zinserhöhung in den USA und einem vermeintlichen Richtungswechsel bei der EZB geführt. Die Zinsen in Deutschland sind aus dem negativen Bereich von – 0,2 % am Jahresanfang auf aktuell ca. 0,7 % gestiegen. Dies ist der stärkste prozentuale Zinsanstieg seit Jahrzehnten! Dieser scharfe Anstieg von ca. 1 % hat zu starken Kursrückgängen an den globalen Renten-märkten geführt. Bei einer 10-jährigen Anleihe führte dies zu einem Kursrückgang von fast 10 %. Die Renditen dürften weiterhin im Spannungsfeld zwischen Konjunkturrisiken, steigenden Inflationsraten, weiterhin expansiver Geldpolitik und massiver Staatsverschuldung stehen.   

US-Dollar

Die amerikanische Leitwährung war in diesem Jahr weiterhin sehr stark gegenüber fast allen Währungen. Der US-Dollar hat im Zuge der Ukraine- Krise zwischenzeitlich ca. 4 % gegenüber dem €uro dazu gewonnen.

Gold

Das Edelmetall Gold hat in diesem schwierigen Umfeld seine Schutzfunktion erfüllt und um ca. 10 % zugelegt. Gerade in Krisen-Situationen halten wir die Beimischung von Gold für wichtig. In vergangenen Perioden steigender Inflationsraten, hat sich der Goldpreis im Nachgang oft ebenso positiv entwickelt. Im beschriebenen Zins- und Geldmengenumfeld sehen wir die Perspektiven für Gold und die anderen Edelmetalle, insgesamt weiterhin positiv.

Stand: 23.02.2022